Die zwei Seiten der Leistungs-Medaille

Seit mehreren Jahren versuchen wir in unseren Schulen das Modell der Integration zu leben. Entstanden aus dem Bedürfnis, Menschen auf Grund von fehlenden Ressourcen (egal welcher Art) nicht auszugrenzen. Meiner Meinung nach, ein absolut wertvoller Gedanke und würden die Voraussetzungen stimmen, könnte dies auch funktionieren. Nur so, wie wir es umsetzen, funktioniert es eben nicht. Mit Langzeitfolgen, deren wir uns erst jetzt gewähr werden, aber leider viele von uns gar nicht sehen wollen. (SRF Artikel zu PISA Studie 2018)

Wir versuchten, den Unterricht so zu gestalten, dass ALLE dem Unterricht GLEICH folgen konnten und die Chancen für die diejenigen, welche nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügten, verbessert wurden. Der Gap zwischen sehr gut und sehr schlecht wurde somit (vor allem in der Volksschule) zu einem Teil verkleinert. Aber, und das ist das Schlimme am Ganzen, nicht, weil die Schwächeren besser wurden, sondern weil die Stärkeren nicht mehr so viel leisten mussten. Oder durften? Denn nicht alle empfinden Leistungsdruck als störend. Manche möchten auch einfach mehr leisten. Wenn solche Menschen (Kinder) dann permanent unterfordert sind, wirkt sich das bei einem Teil so aus, dass sie für gar nichts mehr wirklich motiviert sind und einfach alles hinschmeissen. Wieder andere (und von denen kenne ich einige) werden mit der Zeit einfach faul und sind irgendwann gar nicht mehr in der Lage, mehr zu leisten, weil sie ja wissen “auch ohne grösseren Aufwand gehöre ich zu den Stärkeren. Warum soll ich mehr leisten, wenn es im Anschluss keinen Unterschied macht, ob ich in einem Bereich besser bin oder nicht?“ Und somit wächst eine Gesellschaft heran, die auf der einen Seite denkt, mehr zu leisten ist nicht wirklich nötig, denn es macht ja keinen Unterschied und auf der anderen Seite auch weiss, wenn sie mehr Leistung erbringt, dass sie als asozial und „karrieregeil“ abgestempelt wird. Leistung ist verpönt! Und dies alles passiert im Endeffekt auf Kosten unseres Bildungsniveaus. Was vielleicht am Anfang gut gemeint war, hat sich zu einem grossen Eigentor entwickelt.

PISA Studie 2021, Lesekompetenz: Während viele Schweizer Schüler sehr gut abgeschnitten hätten, gebe es einen Anteil von etwa einem Viertel der Schüler, der richtiggehend abgehängt sei. Diese Jugendlichen verfügten deshalb später nicht über genügend Lesekompetenzen, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und beruflich weiterzukommen.

Quelle: https://www.nzz.ch/schweiz/pisa-studie-schweizer-15-jaehrige-bei-lesen-nur-im-mittelfeld-ld.1623576

Die Schweiz war lange Zeit eines der Länder mit den besten Bildungs- und Ausbildungsergebnissen. Wenn eine Person ihre Ausbildung in der Schweiz genossen hatte, war das in den meisten Fällen ein Garant dafür, dass sie in ihrem Fach top ausgebildet war. Egal welcher Bildungsweg eingeschlagen wurde, der Anspruch an den entsprechenden Output war da. Es tut mir selbst im Herzen weh, wenn ich sehe, wo unser Bildungsniveau heute liegt. Wenn ich Lernende in meinem Lehrgang habe, die sich langweilen (und dann nur Seich im Kopf haben), weil der Unterricht an die Schwächeren angepasst wurde und sie gar keine Möglichkeit haben, dieser Unterforderung zu entfliehen. So viel Potential, welches wir bereit sind, weg zu werfen. So viel Kreativität und Innovation, die nicht wahrgenommen wird, weil sie das Niveau anderer übersteigt.

Das Prinzip der integrativen Schule ist wunderbar. Das Bewertungssystem, welches wir in unserem Bildungssystem haben, ist jedoch absolut nicht für diese Art des Unterrichtens geeignet. Und schon gar nicht, solange die Schulen personell so unterbesetzt sind, dass trotz zusätzlicher Herausforderungen, mehrheitlich nicht mehr als eine Lehrperson vor einer (integrativen) Klasse mit mehr als 15 Schülern steht. Wenn die Bewertung nach Noten nach wie vor Bestand haben muss, dann vielleicht so (im integrativen Gedanken), dass die Stärken jeder einzelnen Person mehr gewichtet werden als die noch nicht ausgemerzten Schwächen. Unter Umständen hätten die Jugendlichen dann auch nicht so viel Stress, eine Ausbildung zu wählen, die wirklich ihren Stärken entspricht. Und die Lehrbetriebe sähen auf einen Blick, ob die benötigten Ressourcen für den entsprechenden Beruf, bei den Bewerbern vorhanden sind.

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